Der Hornauer Stoibrecher

Die Sage erzählt von Sträflingen, die in den Steinbrüchen der Muschelkalkhänge am Oberen Neckar, so auch in der Hornau, dem Gebiet zwischen Horb am Neckar und Nordstetten, ihren Strafdienst ableisten mußten.

Nach einer Klassifizierung des Fasnets- und Volkskundlers Wilhelm Kutter läßt sich die Figur des Stoibrechers in die Kategorie des „Wilden Mannes“ einordnen:

Die Dominanz der Glocken, der braune Fellanzug und die wildverzerrte Maske legen die Figur auf diese Klassifizierung fest. Im Gegensatz zu dieser drohenden, dunklen Gestalt steht der leicht anzuschauenden Weißnarr.

Brecher vor der Kirche

Wie alles begann:

Die Stoibrecher gingen aus den freien, nicht organisierten Gruppen der „Horber und Nordstetter Schantle“ hervor. Dies sind Narren in buntem Fleckleshäs mit selbstgestalteten und -geschnitzten Masken. Begonnen hat es eigentlich an der Fasnet 1973, als den Schantle für 1974 die Teilnahme am Ringtreffen des „Närrischen Freundschaftsrings rund um Horb“ in Eutingen verweigert wurde. Die Zunftoberen der Narrenzunft Horb konnten diesen frei vagabundierenden Haufen in die Schwäbisch-Alemannische Fasnet schwer einordnen.

Die Wiege der Hornauer Stoibrecher ist das Nebenzimmer des ehemaligen „Hotel Raible“ in Horb. Hier trafen sich die Schantle Carl-Christian Gaiser und Gerd Rimmele, um ihre Wunden zu lecken. Eine eigene Zunft wollte man gründen. Dabei erwies es sich als vorteilhaft, daß zum einen in Nordstetten eine aktive Schantlegruppe existierte und zum anderen Kaki Gaiser mehrere Masken mit Häs im Besitz hatte. Unter tatkräftiger Mithilfe seiner mittlerweile verstorbenen Mutter Elli Gaiser wurde im Laufe der nächsten Monate unter einigen Geburtswehen der Hornauer Stoibrecher, wie ihn heute jeder kennt, geschaffen.

Nachdem die Nordstetter Schantle sich bereit erklärt hatten, ihr Fleckles-Häs gegen den Pelz eines Stoibrechers einzutauschen, fing die eigentliche Schwerstarbeit erst an. Man mußte in kürzester Zeit möglichst viele komplette Häs herstellen. Ziel war die Teilnahme am Ringtreffen 1974 in Eutingen. Noch am Brauchtumsabend, die Produktion lief währenddessen auf Hochtouren, war nicht klar, wieviele Stoibrecher beim Ringtreffen teilnehmen würden. Auf Nachfragen der Zunft- und Ringoberen stellte Gaiser in der ihm eigenen Art die Zahl 40 in den Raum, während Rimmele dabei der Atem stockte. Wie aus dem Hut gezaubert, waren die Stoibrecher am nächsten Tag beim Ringumzug mit 42 Maskenträgern dabei! Der Einstand im Ring und in der Narrenzunft Horb war somit furios.

Aus dem ehemals „vagabundierenden Haufen“ wurde eine selbstständige, für die Narrenzunft Horb damals schwer zu kontrollierende Gruppe, die seinerzeit so ziemlich alle Wertvorstellungen der Horber Zunft aus den Angeln hob. Bis heute agieren die Stoibrecher selbstständig mit eigener Wert- und Zielvorstellung innerhalb der Narrenzunft Horb 1923 e.V.

nach Erinnerungen von Gerd Rimmele
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